Online-Marketing und die CO₂-Bilanz

Symbolbild: Berg

Der Betrieb und der Aufruf von Websites benötigen Energie und erzeugen damit viel CO₂. Wie kann das Online-Marketing (zusammen mit den anderen Stakeholdern) dazu beitragen, diese CO₂-Bilanz zu verbessern?

Ein erster Schritt ist der Einsatz eines Tools wie dem Website Carbon Calculator [1]. Dieses Tool analysiert die Website auf die zu übertragenen Datenmengen und rechnen daraus den Energiebedarf und somit die CO₂-Belastung aus.

Testet man im Carbon Calculator verschiedene Websites durch, erhält man Werte von etwa 0,5 bis 5 Gramm CO₂ pro Seitenaufruf, der Großteil liegt bei 1,0 bis 2,0 Gramm. Lediglich extrem schlanke Sites kommen auf deutlich geringere Werte. (Der Planetenretter beispielsweise wird mit lediglich 0,07 Gramm angegeben, da er ohne externe Skripte und mit sehr wenigen Bilder auskommt.)

Technisches Einsparpotenzial

Bevor wir uns hektisch auf irgendwelche Maßnahmen stürzen und die eh schon überlastete IT-Abteilung überfallen, sollten wir aber für den konkreten Fall anschauen, welches Einsparpotenzial überhaupt gegeben ist. Nicht dass am Ende unsere Sparaktionen die Umwelt mehr belasten als das, was wir einsparen können.

Gehen wir beispielhaft von einer typischen Firmenwebsite aus. Bei 100.000 monatlichen Seitenaufrufen und einer durchschnittlichen Erzeugung von 1 Gramm CO₂ pro Aufruf, kommen wir auf 1200kg CO₂ im Jahr. Sollten wir Ansatzpunkte zur Reduktion um 10 Prozent finden, könnten wir somit ca. 120kg einsparen. Klingt gut, nur: Wäre dazu ein Meeting nötig, zu dem drei Dienstleister jeweils einfach 80 Kilometer mit dem Auto anreisen müssen, ist damit die ganze Einsparung bereits wieder zunichte gemacht. (Unter der Annahme, dass die Fahrten mit einem durchschnittlichem PKW mit Verbrennungsmotor stattfinden.)

Anders sieht das ganze natürlich für die richtig großen Websites aus, die täglich Millionen von Seitenaufrufen haben. Eine ähnliche Rechnung wie oben führt dann etwa für spiegel.de zu einer jährlichen CO₂-Belastung von etwa 1800 Tonnen. Eine Reduktion um 10 Prozent wäre dabei definitiv ein Fortschritt. (Hinweis: Unter den Nachrichten-Websites ist spiegel.de bereits bei den Anbietern mit relativ guten Werten.)

Das Kreuz mit der Messung

Der Website Carbon Calculator kann die tatsächliche CO₂-Bilanz einer Website natürlich auch nur recht ungenau ermitteln. Eine ganze Reihe von Parametern müssen durch typische Näherungswerte ersetzt werden. Faktoren wie die CPU-Auslastung sowohl des Servers beim Zusammenbau als auch des Clients bei der Darstellung der Seite sind für ein einfaches Tool kaum zu ermitteln. Diese Problematik sind bei Verbesserungen immer zu beachten. Insbesondere sollte die Angabe des Carbon Calculators nicht als Erfolgskennzahl benutzt werden, da viele Verbesserungsmöglichkeiten eben gar nicht konkret in die Berechnung einfließen können.

Schauen wir uns aber zunächst mal an, wo denn bei der Website-Nutzung überhaupt Energie verbraucht wird. Im Wesentlichen sind das drei Bereiche:

  1. Das Endgerät des Nutzers (Smartphone, Tablet, Laptop, etc.)
  2. Das Rechenzentrum, in dem die Website gehostet ist
  3. Der Übertragungsweg vom Rechenzentrum zum Endgerät

Davon abgeleitet, gibt es eine ganze Reihe technischer Maßnahmen, die oft mit recht überschaubarem Aufwand durchgeführt werden können. Die folgende Liste soll dazu Anregungen bieten:

  • Wechsle zu einem Webhoster, der mit zertifiziertem Ökostrom arbeitet. (Und frage ruhig mal nach, welcher Stromanbieter das genau ist.)
  • Nutze einen Webhoster, dessen Rechenzentrum möglichst nahe beim Großteil deiner Nutzer steht.
  • Nutze Shared Webhosting anstatt eines dedizierten Servers. Wenn deine Website nicht hunderttausende Seitenaufrufe am Tag hat, sollte ein ordentliches Shared-Hosting-Paket bei einem guten Provider locker ausreichen.
  • Aktiviere alle Caching-Möglichkeiten im CMS. Das macht nebenbei die Website auch schneller.
  • Unterstütze alle Caching-Mechanismen der Browser durch entsprechende Header für statische (und andere langlebige) Inhalte wie Bilddateien.
  • Aktiviere alle Komprimierungsmöglichkeiten im Webserver, damit die zu übertragenden Dateien verkleinert werden.
  • Nutze Lazy-Loading, damit nur die Bilder übertragen werden, die Nutzer auch ansehen wollen.
  • Stelle die Bilder in verschiedenen Größen bereit, damit auf kleinen Bildschirmen keine unnötig großen Bilder übertragen werden.
  • Reduziere die Dateigröße deiner Bilder mit Tools wie TinyPNG (oder Squoosh) oder nutze gleich das neue sparsame Grafikformat WebP.
  • Vermeide Autoplay in deinen Videos – und auch in den Werbeanzeigen, die du ausspielst.
  • Achte darauf, wie groß der Code ist, den externe Tools (Website-Analyse, Werbung, Social-Media-Embeds) in deine Website einschleusen und nutze nur die Tools, die du auch wirklich brauchst.
  • Schließe unnütze Webcrawler von deiner Website aus.

Um bei den Anbietern diese Thematik stärker ins Bewusstsein zu bringen, solltest du deinen Webhoster auch nach dem PUE-Wert seines Rechenzentrums fragen. Dieser Wert gibt an, wie effektiv ein Rechenzentrum mit der eingesetzten Energie umgeht. Ein Wert von 1,0 würde einem (in der Praxis nicht möglichen) perfekten Energieeinsatz entsprechen. Sehr gut sind Werte unter 1,2, der Durchschnitt liegt aber eher bei 1,5 bis 2,0. Schneidet das Rechenzentrum deines Anbieters hier recht schlecht ab, ist ein Anbieterwechsel durchaus eine Option.

Spezifische Online-Marketing-Ökomaßnahmen

Für die Betreiber von Online-Shops gibt es weitaus effektivere Maßnahmen, CO₂ einzusparen als beim Hosting oder der technischen Realisierung anzusetzen. Eine Studie basierend auf Zalando-Daten kam etwa zu dem Schluss, dass eine einzelne Retoure ein knappes Kilogramm CO₂ produziert. [2]

Hier schlummert offenbar ein großes Potenzial für ökologisches Online-Marketing. Wird die Kundenansprache verbessert, so dass die Nutzer weniger falsche Produkte bestellen, lässt sich pro Retoure nicht nur ein zweistelliger Euro-Betrag sparen, sondern eben auch ein Kilogramm Kohlendioxid.

Da auf Nutzerseite der Großteil der CO₂-Bilanz bei der Produktion der Geräte anfällt, gibt es für Betreiber von Websites einen weiteren großen Hebel: Sorge dafür dass deine Website auch mit älteren Geräten gut funktioniert. Unnötige Trackingskripte, ausufernde Javascript-Libraries, riesige Bilder oder Autoplay-Videos können vor allem ältere Smartphones und Tablets überfordern und bringen damit den Nutzer dazu, auf ein neues Geräte umzusteigen.

Websites, die auf älteren Clients gut funktionieren, sollten übrigens auch gut bei den Google Core Webvitals abschneiden. Und die Anforderungen der DSGVO bieten zusätzlichen Anlass, auf so manche Integration eines womöglich eh kaum benutzten Tools zu verzichten. Hier ergeben sich angenehme Synergie-Effekte oder zumindest Ansatzpunkte für eine Argumentation gegenüber anderen Stakeholdern im Unternehmen. Weitere solcher Synergien ergeben sich bei der Nutzerführung. Eine leicht verständliche Navigation – basierend auf einer sauberen Sitestruktur – hilft den Besuchern, unnötige Klicks auf der Website zu reduzieren und so wiederum unnötiges CO₂ zu vermeiden.

Aufs Produkt kommt’s an

Viele dieser kleinen Maßnahmen sind nice-to-have, aber ihr Einfluss ist ehrlicherweise eher klein. Nimmt man den Vorsatz, sein Online-Marketing ökologischer machen zu wollen, wirklich ernst, muss man das „Produkt“ (im Sinne eines der vier P im Marketingmix) und damit manchmal wohl auch das Geschäftsmodell angehen.

Muss ich im Online-Shop wirklich auch die (in jeglicher Hinsicht) billigen Waren listen? Wäre es nicht eh für meine Positionierung als hochwertiger und seriöser Anbieter sinnvoll, nur langlebige Qualitätsware anzubieten? Und wenn wir schon dabei sind, gibt’s zu den hochwertigen Waren noch gleich guten Reparaturservice und eine lange Ersatzteilversorgung, so dass die Käufer ihre Produkte auch lange nutzen können.

Doch nicht nur als Shop-Betreiber habe ich ein Produkt, das ich ökologischer machen kann. Wieso führen Koch-Websites zwar den Kaloriengehalt der Rezepte an, aber nicht deren Klimabilanz? Und als Reiseblogger kann ich relativ einfach angeben, welche CO₂-Menge der angepriesene Wochenend-Kurztrip nach London erzeugt oder – noch besser – gleich auf ökologischere Alternativen verweisen.

Solche Schritte mögen schwieriger sein als einfach zu einem Ökostrom-Hoster zu wechseln und sich ein entsprechendes Label auf die Website zu kleben, aber sie bieten das größere Potenzial und zeigen, wie ernst es deinem Unternehmen mit dem Klimaschutz wirklich ist.

Quellen:

  1. https://www.websitecarbon.com/
  2. http://www.retourenforschung.de/definition_co2-bilanz-einer-retoure.html
  3. https://planetenretter.com/co2-bilanz-der-computerherstellung
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